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Diagonale Herbstlichkeit und aktuelle Herausforderungen - Teil I

 

Ich sitze an diesem kühlen, grauen, nassen Tag vor dem Ofen und denke an die Gazpacho. Die Gazpacho, die ich nicht gemacht habe vergangenen Sommer. Diese fruchtig-würzige, kalte Suppe, die nur mit richtig reifen, richtig aromatischen Tomaten schmeckt, am besten Berner Rose. Und nur an wirklich heißen Tagen. Es fühlt sich ein bisschen an wie eine verpasste Chance, als ob ich ihn nicht richtig ausgekostet hätte, diesen vergangenen Sommer. Und nun steht die Kürbissuppe auf dem Ofen, mit Gemüsezwiebeln und Hokkaido von unseren Feldern und den guten Möhren von Tillman Striffler, unserem Partner.

Der Ahorn auf Volkers Wiese hat vor ein paar Wochen begonnen, sich von rechts oben beginnend herbstlich zu färben. Das ist jedes Jahr das gleiche Schauspiel: Die Färbung geht dann diagonal über die erstaunlich rund geformte Baumkrone nach links unten. Anschließend wirft er die Blätter ab, ebenfalls rechts oben beginnend. Letztes Jahr sah es eine Zeitlang so aus, als würde er in einer goldenen Pfütze stehen.

 

Ich sinniere ein bisschen, so hätte das meine Oma ausgedrückt, und denke über uns und die Gärtnerei nach und wie sich wohl alles entwickeln wird in den nächsten Jahren. Ich habe das sichere Gefühl, dass es entscheidende Jahre werden, aus diversen Gründen. Lutz und ich werden beide nicht jünger und für Lutz wollen wir bald eine*n Nachfolger*in finden, der/die mit mir zusammen die Gärtnerei weiterführt. Das sollte jemand mit Erfahrung sein, mit der Bereitschaft, die Verantwortung im Garten zu haben. Jemand mit
Motivation und Leidenschaft, diesem Ort und der Gärtnerei weiter Leben einzuhauchen; weiterzuentwickeln, was Lutz und alle anderen Menschen, die in den vergangenen Jahren hier ihre Spuren hinterlassen haben, bereits auf den Weg gebracht haben.

Ich denke auch an den Besuch in München bei meiner Schwester, die seit April beim Kartoffelkombinat arbeitet. Sie kümmert sich um Marketing und Öffentlichkeitsarbeit und verfasst wöchentlich den Kartoffeldruck, eine Art Newsletter in Papierform, der an alle Mitglieder geht. Ähnlich wie ich macht sie sich viele Gedanken über den Inhalt, will aufklären und informieren, denn das ist noch immer so dringend nötig, das merken wir beide. Unser Austausch hat nochmal eine sehr bereichernde Komponente dazu gewonnen. Ich sehe, dass wir alle vor ganz ähnlichen Herausforderungen stehen, das Kartoffelkombinat, Deutschlands größte SoLawi, und wir hier auf Louisgarde mit wahrscheinlich einer von Deutschlands kleinsten SoLawis. 2000 Mitglieder und 30 Mitglieder – wir haben die gleichen Themen und das beruhigt und erschreckt mich gleichermaßen. Es lässt mich weniger allein fühlen, es zeigt, dass offensichtlich einige andere Faktoren als unsere eigenen Fähigkeiten ausschlaggebend sind. Obwohl ein Blick von außen auf unsere internen Abläufe sicherlich nicht schaden würde. Wir haben uns in jüngster Vergangenheit merklich entkrampft, versteifen uns nicht auf ein quantitatives Wachstum der SoLawi und spüren gleichzeitig, dass es nicht angebracht ist, uns auszuruhen auf unseren Lorbeeren, dass es wirklich um die Wurst gehen könnte in nächster Zukunft.

Die Fluktuationsrate liegt im Kartoffelkombinat und auch bei uns bei ca. 10 Prozent. 200 neue Mitglieder zu gewinnen oder 3, beides läuft nicht ohne unser Zutun. Wenn wir die Weggänge nicht ausgleichen, können wir die Strukturen nicht aufrechterhalten. Strukturen, die bei uns und wohl bei vielen Betrieben dringend optimiert werden sollten.

 

Daniel Überall hat das Kartoffelkombinat 2012 gegründet und leitet es heute gemeinsam mit Jana Hohberger im Vorstand der Genossenschaft. Die Aufgaben im Betrieb sind klar aufgeteilt: Es gibt Gärtner*innen, ein Packteam, Fahrer*innen und die Mitarbeitenden im Büro. Doch auch das größte SoLawi-Projekt Deutschlands kämpft mit erheblichen Herausforderungen. Die globalen Krisen und die steigende Inflation machen sich, wie in der gesamten Biobranche, deutlich bemerkbar. Eine der größten Aufgaben in diesem Jahr ist es, neue Mitglieder zu gewinnen. Dabei geht es nicht um blindes Wachstum, sondern darum, Defizite auszugleichen und im Idealfall etwas aufzubauen, es geht um langfristig stabile und faire Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung. Es gibt für das Gärtnerei-Team z.B. Urlaub im Sommer, faire Löhne und weitere „Benefits“, wie man so schön sagt, um das Arbeiten attraktiv zu machen. So verdienen die Gärtner*innen dort 50% mehr als den Mindestlohn. Doch um dieses Niveau zu halten und weiterzuentwickeln, braucht es mehr als idealistische Grundsätze - es braucht Mitglieder, die hinter der Idee stehen und die SoLawi aktiv unterstützen. Beim Kartoffelkombinat ist das nicht in erster Linie durch aktive Mitarbeit der Mitglieder in der Gärtnerei geprägt, sondern durch Weiterempfehlung der Mitgliedshaushalte an Freunde und Familie.

Wie gern würden wir hier auf Louisgarde einen Gärtner einstellen, damit wir unsere Arbeitsbedingungen als Betriebsleiter verbessern können: Endlich runter von der 50 Std. Woche – in der Vergangenheit war es bei Lutz noch weitaus mehr -, etwas mehr als nur 5 bis 10 Urlaubstage im Jahr. Wenn wir unseren Stundenlohn ausrechnen, kommen wir auf ein Ergebnis, das unter 50% des aktuellen Mindestlohns von 12,41/Std. liegt. Ab 01.01.2025 wird der Mindestlohn auf 12,82/Std. brutto steigen. Was heißt das für uns? Zunächst einmal nicht viel. Wir sind davon abhängig, wie viele Menschen hinter uns stehen und ob unsere Direktvermarktung, vor allem die SoLawi, gut laufen wird. Aktuell sind es 31 Ernte-Anteile, die unsere Mitglieder von uns erhalten. Wir könnten schätzungsweise doppelt so viele Menschen im Rahmen der SoLawi versorgen und unsere Rahmenbedingungen würden sich verbessern.


***** Lest weiter im nächsten Beitrag, der kommende Woche erscheinen wird. Auch aktuelle Fotos wird es dann zu sehen geben. *****

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