„Was uns antreibt…
Bevor wir nach Holzbronn zogen, waren wir viel unterwegs: Für Studium, Praktika und Reisen auf der ganzen Welt; beruflich vor allem im Afrika. Zuletzt eineinhalb Jahre im Niger, Westafrika. Mit der Geburt unseres Sohnes kamen wir zurück nach Deutschland und richteten uns zunächst vorübergehend auf dem Hof der Großmutter ein, der seit zwei Jahren leer stand. Als dann unsere Tochter geboren wurde, wussten wir, dass wir nicht so schnell wieder ins Ausland gehen wollten. Inzwischen hatten wir den Gemüsegarten hergerichtet, einige Bienenvölker neben der Streuobstwiese angesiedelt und uns einen Zuchtstamm Deutscher Langschan zugelegt. Auch wenn wir noch lange keine 100%igen Selbstversorger sind, erfreut es uns sehr zu beobachten, was auf unserem Hof wächst und gedeiht. So wurde uns klar, dass wir auf dem Hof bleiben und von und mit ihm leben wollen. Eine klassische Landwirtschaft oder kommerzielle Tierhaltung kam jedoch aus verschiedensten Gründen nicht in Frage. Eine Veredelung landwirtschaftlicher Produkte schon. Uns so wurde aus einem Hobby eine zentrale Idee: Wir brauen Bier! Und zwar handwerklich, naturbelassen und aus lokalen, ökologisch erzeugten Zutaten. Drumherum entstehen gerade 1000 weitere Ideen, von der Weiterverarbeitung der Restprodukte des Brauprozesses (Biertreber) zu Brot, Pizza, Gebäck und Knabberwaren, über die Bündelung anderer nachhaltig hergestellter Produkte in unserem Hofladen, bis hin zu Seminaren und Veranstaltungen, die einen sozial-ökologischen Mehrwert schaffen. Wichtig ist uns dabei, dass wir möglichst ressourcenschonend vorgehen und der Ort, an dem wir leben, immer ein Stück lebenswerter wird - für uns, für unsere Mitmenschen und unsere Umwelt.“
Ruth und Jascha wohnen mit ihren zwei Kindern nicht weit von Louisgarde entfernt in Holzbronn. Hinter dem Wohnhaus liegt ein wilder Garten mit vielen schattenspendenden Bäumen, unter denen die Hühner leben, die Deutschen Langschan, eine gefährdete Rasse, von denen ihr bei unserem Marktstand die Eier kaufen könnt. Die Hühner dürfen selbst brüten, ihnen ist der Brutinstinkt nicht weggezüchtet worden wie den modernen Hochleistungs-hühnern. Sie gehen außerdem einmal im Jahr durch die Mauser, das heißt, sie wechseln ihr Federkleid. Während des Brütens und während der Mauser legen sie wenig bis gar keine Eier. In so gut wie allen Betrieben werden die Hühner deswegen vor der Mauser geschlachtet, weil sie in dieser Zeit nicht wirtschaftlich genug sind, das ist auf dem derr HOF anders. Außer den Hühnern gibt es noch ein paar Warzenenten und Laufenten. Und um die derzeit acht Bienenvölker kümmert sich Jascha.
Bis jetzt haben die Erzeugnisse des kleinen Hofes vor allem zur Selbstversorgung gedient und haben eine kleine Nebeneinkunft gebracht.
Seit kurzem gibt es aber große Pläne, die mit den Bauarbeiten an dem alten Kuhstall schon Gestalt annehmen: Auf dem derr HOF soll eine Bio-Brauerei entstehen, vielleicht die erste in Deutschland, die komplett Demeter-zertifiziert ist. Knackpunkt dabei ist das Malz. Zwar kann man die Standard-Malze inzwischen in Bio- und teilweise auch Demeter-Qualität bekommen, aber für die Spezialmalze, die für Geschmack und Farbe des Bieres zuständig sind, gibt es im Demeterbereich keinen Markt. Es gibt in der Rhön eine Mälzerei, zu der man eigenes Getreide bringen kann und die dieses auch nach Demeter-Standards vermälzt. Jedoch sind die von Ruth und Jascha benötigen Mengen so gering, dass sie die Kapazitäten der Darre nicht auslasten würden und durch den zusätzlichen Transportweg das Ganze eine fragliche Angelegenheit wäre. Eine Möglichkeit wäre, selbst zu mälzen, das würde aber deutlich höhere Investitionen bedeuten. Vielleicht kann die Technik ja gemeinschaftlich und auch für andere Zwecke genutzt werden und so eine tolle Vernetzung in der Region entstehen?
Das Projekt wird von der EU und dem Land Baden-Württemberg gefördert, doch einen großen Teil stemmen die beiden selbst. Und sie wollen nicht einfach „nur“ eine Brauerei aufbauen, ihr Blick geht weiter, über den Flaschenhals hinaus: Der Weg der Rohstoffe vom Feld in die Flasche soll so kurz wie irgend möglich sein. Es soll ein Raum für Veranstaltungen und Kurse entstehen und ein kleiner Hofladen mit ausgesuchten, hochwertigen Produkten vor allem aus der Region, vielleicht sogar eine kleine Einkehrmöglichkeit.
Ich bin total begeistert von Ruth und Jaschas Energie und ihren Ideen. Denn ich finde, genau das ist es, was unsere Welt und unsere Gesellschaft dringend braucht: Kleine, überschaubare
Strukturen in unserer immer unübersichtlicher werdenden Welt. Vernetzung, Austausch, Wertschöpfung und Wertschätzung der regionalen Erzeuger. Wäre es nicht wahnsinnig schön, wenn Dörfer
wieder voll mit Leben wären, es wieder kleine Läden geben würde, in denen man sich kennt, die auch Orte der Begegnung sind für alle, für Jung und Alt? Wir könnten so viel reicher sein, wenn wir
die Illusion des ewigen Wachstums endlich hinter uns lassen würden und den Mut hätten, unsere Werte und Integrität wachsen zu lassen. Durch die Rückbesinnung auf kleine Strukturen könnte wieder
eine Gemeinschaft entstehen; soziale Netze, die Sicherheit, gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung für jeden bieten könnten. Für mich geht es hier nicht nur um die
Entstehung einer Brauerei, das Projekt von Ruth und Jascha ist viel mehr als das. Es ist ein Schritt in die Welt, in der ich leben möchte und die ich mir wünsche für zukünftige Generationen. Der
derr HOF und das, was da entsteht, steht für mich stellvertretend für viele andere Projekte, die es verdienen, gesehen zu werden.
Lasst uns also hinschauen, wo immer es geht und lasst uns immer wieder die Frage stellen: In was für einer Welt wollen wir leben? Was
fördern und unterstützen wir mit unserem Verhalten und unserer Art zu leben? Was ist unser Antrieb für unsere Art zu leben und unser tägliches Tun? Wir alle können etwas beisteuern, jeder von uns im Rahmen seiner Möglichkeiten.
Die Website des derr HOF befindet sich gerade im Aufbau. Vielleicht schaut ihr in ein paar Wochen mal hier vorbei: derrhof.de.
Hier findet ihr eine Projektbeschreibung: https://leader-hohenlohe-tauber.eu/aktuelles/start-hofbrauerei/
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Erika.Barra@gmx.net (Montag, 24 Juli 2023 18:01)
Ganz tolle.Website. Schade, dass wir so weit weg wohnen